Wie lange dauert eine Mediation?

07. April 2021, geschrieben von 

Die Frage nach der Dauer einer Mediation interessiert aus zwei Perspektiven. Auf der Hand liegt die Perspektive der potentiellen Mediationsparteien: Um mich gut informiert entscheiden zu können, ob Mediation für die Klärung meines Konflikts in Frage kommt, möchte ich wissen, wie das Verfahren abläuft, auf was ich mich inhaltlich, vom Verfahren her und natürlich in zeitlicher Hinsicht einstellen muss. Im Windschatten dieser Frage steht zugleich oft das berechtigte Interesse, einen ersten Hinweis auf die mutmaßlichen Kosten einer Mediation zu erhalten – die ebenfalls ein wichtiges Entscheidungskriterium für oder gegen eine Mediation darstellen können (die Frage „Was kostet eine Mediation?“ hat allerdings mindestens einen eigenen Blogbeitrag verdient).

Die Frage nach der Dauer wird der Mediatorin gestellt – die das ebenfalls gern wissen möchte. Denn für sie gilt es einzuschätzen, was sie den (potentiellen) Parteien dazu verlässlich sagen kann. Es gilt, die eigene zeitliche Verfügbarkeit mit dem vermuteten Umfang der Mediation abzugleichen und dabei in Kenntnis des eigenen Terminkalenders und der zeitlichen Rahmenbedingungen der Parteien abzuwägen, ob sie dafür derzeit überhaupt verbindlich Kapazitäten zusagen kann.

Zugleich ist diese Frage sehr schwierig zu beantworten – zumal ganz zu Beginn oder gar vor einer Mediation. Die ganz ehrliche Antwort der Mediatorin müsste im Grunde unumwunden lauten: „Ich weiß es (noch) nicht.“ Allenfalls könnte sie ergänzen: „So lang wie nötig, so kurz wie möglich.“ In der Praxis ist die Antwort wohl meist eine Variation von: „Es kommt darauf an.“ Und jede Mediatorin wird ihr ganz eigenes Erfahrungswissen heranziehen, auf das es dabei ankommt. Ich skizziere hier mal meine Heuristiken – soweit sie mir bewusst sind:

  • Die Zahl der Beteiligten
    Dies mag auf der Hand liegen: Je mehr Beteiligte, desto mehr Rede- und Klärungszeit.
  • Der Anspruch der Beteiligten an Klärung und Regelung
    Menschen begeben sich mit sehr unterschiedlichen Zielvorstellungen in eine Mediation: Manche möchten vor allem eine zukunftsorientierte Vereinbarung oder eine knifflige Entscheidung treffen, bei der sie mit mediatorischer Unterstützung sicherstellen, dass sie möglichst interessengerecht vorgehen – bisweilen mit der klaren Ansage, dass sie auf das konflikthafte Geschehen aus der Vergangenheit, das ihnen dabei bisher im Wege stand, möglichst wenig zurückschauen möchten. Andere möchten genau das. Manche möchten in einem geschützten Rahmen (noch einmal) versuchen, ob nicht doch eine andere Verständigung über schwierige Themen möglich ist, möchten versuchen, verlorengegangenes Vertrauen wiederherzustellen oder möchten ohne all zu viele weitere Verletzungen getrennte Wege gehen können. Hier habe ich keine so klare Faustregel – allenfalls kann das Ausmaß an erwarteter Verständigungsarbeit auf eine tendenziell längere Dauer hindeuten.
  • Der (vermutete) Eskalationsgrad – oder die Wegstrecke hin zu Klartext und Verständigungsarbeit
    Im Zusammenhang mit dem Anspruch der Beteiligten an Klärung und Regelung in der Mediation ist der mutmaßliche Eskalationsgrad ein Faktor, der in meine zeitlichen Überlegungen einfließt. Vorausgesetzt die Parteien möchten im Rahmen der Mediation eine Verständigung und tiefergehende Bearbeitung der schwierigen Punkte unternehmen, dann vermute ich einen umso längeren Weg dahin, je eskalierter der Konflikt erscheint. Dies lese ich der Vorgeschichte des Konfliktes ab: Wie gravierend und belastend erleben die Parteien den Konflikt? Wie lange erleben sie die Situation bereits als sehr schwierig? Was alles haben sie schon (vergeblich) versucht? Wie (un)verständlich ist ihnen diese Vorgeschichte selbst?
  • Die (mutmaßliche) Menge und Reichweite der Themen
    Anders als die Zahl der Beteiligten, die in aller Regel relativ früh in der Auftragsklärung eindeutig feststeht, kann es hier im Lauf einer Mediation Überraschungen geben. Trotz gründlicher Auftragsklärung erweisen sich vermeintlich klar umrissene Themen als sehr viel komplexer, nennen Beteiligte die „eigentlichen“ Themen erst im Verlauf der Mediation oder erarbeiten die Parteien im Lauf der Mediation überhaupt, was genau klärungsbedürftig ist. Ansonsten gilt auch hier: Je mehr Themen, desto mehr potentielle Rede- und Klärungszeit – wobei die Erfahrung zeigt, dass lange Themenlisten nach ersten Klärungserfolgen in der Mediation plötzlich deutlich schrumpfen, weil Themen wieder in die Eigenverantwortung der Parteien übergehen können und womöglich gar nicht mehr in der Mediation bearbeitet werden müssen.
  • Die Bereitschaft und die Möglichkeit der Parteien, Zeit zu investieren
    Neben all den vorher benannten Faktoren gibt es mitgebrachte (mehr oder weniger feste) Vorstellungen der Beteiligten, die sich – nach ihren ganz eigenen Kriterien – schon vorab überlegt haben, wieviel sie bereit sind zu investieren – und auch hier gehen zeitliche Bereitschaft und finanzielle Möglichkeiten oft Hand in Hand. Nicht selten ändern sich diese Vorstellungen dann im Laufe einer Mediation, etwa weil die investierte Zeit doch sinnvoller und ergiebiger erscheint als zu Beginn vorstellbar oder weil der Fortschritt als nicht ausreichend zufriedenstellend erlebt wird – und dann können und sollten ggf. neue Vereinbarungen zum zeitlichen Umfang getroffen werden. In manchen Konstellationen sind Fristen zu beachten, bis zu denen spätestens eine Klärung erreicht sein soll, und die dann mit bestimmen, wie kompakt Termine vereinbart werden.
  • Meine präferierte Termindauer
    Auch ich als Mediatorin habe gewisse Vorstellungen zur idealen Zeitgestaltung. Das kann etwa eine typische Termindauer sein, die eine sinnvolle Klärung mindestens braucht (und die in der Regel mit der Zahl der Beteiligten variiert), oder ein bevorzugter zeitlicher Abstand zwischen Terminen, der nach meiner Erfahrung besonders gutes Arbeiten ermöglicht. Diese Vorstellungen formuliere ich klar – und erlaube mir dabei deutlich anzumelden, was je nach konkretem Fall verhandelbar ist und wo es sich um meine Vor-Bedingung handelt.  

Auf der Basis all dieser Faktoren gebe ich eine erste zeitliche Einschätzung – mit dem audrücklich ausgesprochenen Vorbehalt, dass das eine vorläufige und noch mit Unsicherheit behaftete Angabe ist. Ich sage zu, dass ich meine Einschätzung am Ende der Themensammlung präzisiere – und dann mit den Parteien eine neue (Zwischen-)Vereinbarung zum Umfang der Mediation treffen kann. Doch zunächst braucht es die Resonanz der Parteien, ob sie auf Basis dieser ersten Einschätzung loslegen können – oder ob sie etwas anderes vereinbaren möchten.

In Fällen von sehr starkem Misstrauen zwischen den Parteien oder massiver Skepsis hinsichtlich des Nutzens von Mediation habe ich bisweilen auch schon ein Arbeiten quasi „auf Probe“ – von Termin zu Termin – vereinbart, was dem Prinzip des Vertrauensaufbaus in kleinen Schritten entspricht. Wenn dann allerdings auch die Festlegung des ersten Themas für die vertiefte Bearbeitung zwischen den Beteiligten besonders strittig ist, kann es zusätzlich interessengerecht sein zu vereinbaren, dass mindestens auch das wichtigste Thema der anderen Partei bearbeitet wird, bevor neu über die Fortsetzung der Mediation entschieden wird, um hier – bewusster oder unbewusster – strategischer Teilnahme vorzubeugen.

Schon dieser eine Spezialfall illustriert, letztlich bleibt es doch dabei: „Es kommt darauf an.“

Und worauf kommt es Ihnen dabei an?

Letzte Änderung am 11. Mai 2021
Kirsten Schroeter

… hat es beruflich mit Konflikten in Organisationen und Unternehmen zu tun, aus Überzeugung nicht auf eine Branche spezialisiert, sondern auf die Qualität der fachlichen und zwischenmenschlichen Zusammenarbeit und der Kommunikation. Sie bildet Menschen in Konfliktberatung und Mediation aus. Und mischt bei der Weiterentwicklung des Berufs „Mediatorin“ mit – vernetzend (in der Regionalgruppe Hamburg im Bundesverband Mediation) und schreiberisch (Mitherausgeberin der „Interdisziplinären Studien zu Mediation und Konfliktmanagement“ bei Nomos sowie Mitherausgeberin der „Viadrina Schriftenreihe zu Mediation und Konfliktmanagement“ bei Metzner).

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