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Die lang andauernde pandemische Situation hat es im Hinblick auf Konflikte in Gruppen und Teams wirklich in sich: Einerseits werden die Resilienz-Polster bei allen dünner, die Erschöpfung steigt und die Nerven liegen bei vielen blank, andererseits verschlechtern sich so manche Rahmenbedingungen drastisch.

Nach einem Konflikt den Groll wirklich loszulassen, den Resetknopf zu drücken und einen Neubeginn zu wagen, den Kolleg*innen eine neue Chance zu geben – all das ist so manches Mal leichter gesagt als getan. Rituale können dabei unterstützen, diesen Schritt zu vollziehen.

Seit 2016 die Verordnung über die Aus- und Fortbildung von zertifizierten Mediatoren (kurz ZMediatAusbV) erlassen wurde, wird diese Verordnung scharf kritisiert (siehe auch meinen eigenen Blog-Beitrag vom Dezember 2020, der in der bestehenden Form der Zertifizierung eine „Mogelpackung“ wittert). Diese Kritik bleibt nicht ohne Wirkung.

Es gibt sie alle, die recht gelungenen/erfolgreichen, die weniger oder teilweise erfolgreichen und die „ah, irgendwie war das noch recht sperrig...“- oder auch „na, aber hoffentlich fruchtet sie irgendwann“…-Mediationen. Mediationen, wo ich mich als Mediatorin freue, wenn ich höre, dass die Teilnehmer*innen zumindest etwas für sich mit nach Hause nehmen konnten, und sei es die Einsicht, dass Kommunikation auch wirklich nicht leicht ist… Aber es gibt auch die anderen, die Mediationen, die sich richtig gut anfühlen, für die Mediant*innen und für die Mediatorinnen. Die Mediationen, wo offen und konstruktiv gesprochen und zugehört wird, wo dadurch ein neuer und guter Kontakt hergestellt wird und Knoten zum Platzen gebracht werden können. Wenn zum Abschluss Erleichterung und Zuversicht herrschen und ein Gefühl von „wir schaffen das gemeinsam“.

Ich werde als externe Mediatorin häufig hinzugezogen, wenn der Konflikt emotional bereits sehr eskaliert ist und es wechselseitig zu schweren Verletzungen gekommen ist. Ich führe in diesen Fällen mit den Beteiligten in der Regel getrennte Vorgespräche und frage sie in diesem Rahmen, welchen Weg sie mit der anderen Konfliktpartei generell gehen möchten: Den Weg der zukünftigen Kooperation, Entflechtung oder einvernehmlichen Trennung.

Die weitaus meisten Auftraggeber*innen wissen recht genau, was sie beauftragen möchten, wenn sie sich bei einer Mediatorin melden. Doch gar nicht wenige sind noch unsicher, was das beste Vorgehen bei einer Konfliktlage in einer Organisation sein könnte – klar ist nur, es soll etwas geschehen. Unterstützung ist benötigt. Aber welche am besten?

Dass regelmäßige Supervision sowohl für angehende wie erfahrene Mediator*innen selbstverständlich zu einem professionellen Umgang mit sich und der eigenen Tätigkeit gehört, ist unstrittig. Jede Mediation ist einzigartig – und immer wieder kann uns eine methodische Herausforderung, eine Haltungshürde, ein kniffliges Thema, eine vertrackte Konfliktdynamik, eine besonders eigenwillige Partei oder ähnliches ins Stocken oder Grübeln oder an eine persönliche Grenze bringen, egal ob wir neu im Geschäft oder schon mit hunderten Fällen Erfahrung im Gepäck als Mediator*in unterwegs sind.

Dass die Reflexion eigener Mediationsfälle im Rahmen einer Supervision ein sinnvoller und notwendiger Bestandteil einer guten Mediationsausbildung sein sollte, ist unstrittig. Und auch für ausgebildete Mediator*innen bleibt es für die Weiterentwicklung der eigenen Professionalität zentral, immer wieder herausfordernde Situationen aus der eigenen Praxis supervisorisch zu bearbeiten. In den Qualitätsstandards der Mediationsverbände fanden sich diese professionellen Selbstverständlichkeiten von Anfang an wieder. Und so war es stimmig und folgerichtig, dass Supervision im Mediationsgesetz (MediationsG von 2012) Eingang fand und in der Ausbildungsverordnung (ZMediatAusbV von 2016) genauer bestimmt wurde.

Unter der Überschrift „Wen schaue ich an? Der Blick in Online-Mediationen“ reflektiert der schottische Mediator Charlie Irvine sehr anschaulich, welch bedeutende Rolle der Blick des Mediators in Präsenz-Mediationen (insbesondere mit vielen Beteiligten) hat – und wie anders das Schauen und Anschauen in Online-Mediationen funktioniert. Seine Überlegungen haben mich angeregt, meine eigene Praxis in Online-Mediationen – die wie bei so vielen Kolleginnen und Kollegen wirklich rein pandemiebedingt entstanden und dann zügig beträchtlich gewachsen ist – unter diesem Gesichtspunkt Revue passieren zu lassen.

Mediationen mit Familienmitgliedern mache ich nicht oft, aber immer wieder gerne. Ich glaube, die Verbindungen zu unserer Familie gehören zu den emotional tiefsten und damit auch zu den schönsten wie schmerzhaftesten menschlichen Verbindungen, die wir eingehen. Da ich aber nicht als Familienmediatorin ausgebildet bin, sind die familiären Konflikte, die bei mir landen, meist an ein anderes Thema geknüpft, etwa die Unterstützung bei der Berufswahl der erwachsenen Kinder oder die Zusammenarbeit von Familienmitgliedern im beruflichen Kontext.

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