Prädikat „Zertifizierte Mediatorin“ – Die Mogelpackung für Konfliktprofis

03. Januar 2018, geschrieben von 

Seit dem 1. September 2017 können Mediator*innen, die bestimmte Anforderungen erfüllen, die Bezeichnung „zertifizierte/r Mediator/in“ führen. Der Gesetzgeber hat mit dem seit 2012 geltenden Mediationsgesetz und der nun in Kraft tretenden Verordnung, die die Aus- und Fortbildung regelt, diese Bezeichnung geschaffen.

Eine sehr gute Idee, vor allem aus Sicht derjenigen, die Mediation in Anspruch nehmen möchten – so könnte man meinen: Eine bisher völlig ungeschützte Tätigkeit wird genauer beschrieben. Rechte und Pflichten von Mediatore*innen und Mediationsparteien definiert. Klarheit geschaffen. Festgelegt, was eine Mediatorin mindestens an Ausbildung und Erfahrung aufweisen muss. Dies wird geprüft – und wenn diese Prüfung positiv ausfällt, mit der Bezeichnung „zertifiziert“ belohnt.

Was niemand ahnt, es sei denn, er befasst sich mit den Details des Gesetzes und der Verordnung: Es gibt keine neutrale Instanz, die diese Zertifizierung vornimmt. Stattdessen handelt es sich um eine sogenannte Selbst-Zertifizierung – in sich ein sprachliches Paradoxon und damit eine echte „Mogelpackung“ für diejenigen, die eine Mediation in Anspruch nehmen möchten.

Die Verordnung verlangt, dass ich als Mediatorin die Anforderungen der Verordnung lese, meine eigene Ausbildungs- und Fallerfahrung dahingehend überprüfe und auf dieser Basis entscheide, ob ich mich „zertifizierte Mediatorin“ nennen darf. Während im Mediationsgesetz für die Mediationstätigkeit strenge Maßstäbe an meine Neutralität gelegt werden und klare Hinweise für die Vermeidung jeglicher Befangenheit bei der Übernahme von Mediationsaufträgen formuliert werden, sollen Mediatoren nun – in eigener Sache – eine Entscheidung treffen, die in der Folge suggeriert, sie seien unabhängig überprüft worden.

Wäre es nicht so bedauerlich für uns Mediator*innen, wäre das eigentlich ein sehr herzliches Lachen wert – und ein echtes Staunen über die Absurdität dieses Konstrukts. Ich bin gespannt, ob diese Mogelpackung demnächst nicht nur in der Mediationsszene scharf diskutiert wird…

In der aktuellen Beilage zum Schwerpunkt "Konfliktmanagement" in der taz vom 23. Januar 2021 gehen ich und zwei Kolleg*innen aus unterschiedlichen Perspektiven auf den Titel "Zertifizierte/r Mediator/in" ein. Wie sich zeigt, fallen unsere Einschätzungen durchaus verschieden aus. Der Artikel ist hier abrufbar. [Wir haben diese Information am 25. Januar 2021 ergänzt.]

Letzte Änderung am 15. März 2021
Kirsten Schroeter

… hat es beruflich mit Konflikten in Organisationen und Unternehmen zu tun, aus Überzeugung nicht auf eine Branche spezialisiert, sondern auf die Qualität der fachlichen und zwischenmenschlichen Zusammenarbeit und der Kommunikation. Sie bildet Menschen in Konfliktberatung und Mediation aus. Und mischt bei der Weiterentwicklung des Berufs „Mediatorin“ mit – vernetzend (in der Regionalgruppe Hamburg im Bundesverband Mediation) und schreiberisch (Mitherausgeberin der „Interdisziplinären Studien zu Mediation und Konfliktmanagement“ bei Nomos sowie Mitherausgeberin der „Viadrina Schriftenreihe zu Mediation und Konfliktmanagement“ bei Metzner).

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