Nachfragen in der Auftragsklärung: Wenn das Selbstverständliche sich als Überraschung entpuppt

30. Oktober 2019, geschrieben von 

Gerade bin ich wieder über einen der typischen Fallstricke gestolpert, die meine Arbeit als selbstständiger Coach und Mediator so mit sich bringt. Zu Beginn vieler meiner Aufträge steht eine Empfehlung. Manchmal über viele Ecken, so dass ich sie schwer oder nicht zurückverfolgen kann, manchmal von einer direkten Kollegin, einem Bekannten oder Verwandten. Dann gilt es zu klären und abzuwägen, ob ich selbst nicht befangen bin und die Klienten sich die Arbeit mit mir als Coach oder Mediator vorstellen können.

Vor kurzem fragte mich eine Teamleiterin für eine Konfliktklärung in ihrem Team an. Empfohlen hatte mich eine Mitarbeiterin von ihr, die zugleich mit meiner Partnerin befreundet war. Ich hatte sie einige Male gesehen und mich mit ihr unterhalten. Ich fand sie sympathisch und erlebte sie als zurückhaltende Person. Unsere letzte Begegnung lag nun bereits einige Jahre zurück. Als die Teamleiterin mich per E-Mail anfragte, hatte sie sie in Kopie eingebunden. Ich ging daher davon aus, dass meine Bekannte sich eine Mediation mit mir vorstellen konnte, da sie mich empfohlen hatte. Meine Logik dahinter lautete: Wäre dem nicht so, hätte sie mich sicherlich nicht empfohlen.

Mit der Teamleiterin führte ich ein telefonisches Gespräch zur Auftragsklärung. Währenddessen musste ich zwei-, dreimal an die Bekannte denken. Einem Impuls folgend fragte ich am Ende die Teamleiterin, ob sich meine Bekannte denn auch eine Mediation mit mir als Mediator vorstellen könnte. Sie antwortete mir: "Ja, im Prinzip schon.". Auf erneutes Nachfragen meinerseits wurde dann jedoch deutlich, dass die Bekannte wohl angedeutet hatte, dass es ihr lieber sei, wenn die Mediation von einer anderen Person durchgeführt würde, auch wenn sie mich nicht gänzlich ausschließen würde. Ich besprach mit der Teamleiterin, dass es dann besser sei, das Team von jemand anderem begleiten zu lassen, und stellte Kontakt zu einer Kollegin her.

In der Situation war ich selbst ziemlich perplex. Zum einen weil ich fälschlicherweise davon ausgegangen war, dass die Bekannte sich mich als Mediator vorstellen konnte. Zudem hätte ich erwartet, dass die Teamleiterin mir sagen würde, wenn es nicht so wäre. Rückblickend bin ich froh, dass ich meine Irritation im Telefonat ernst genommen und die Bereitschaft der Bekannten nochmal hinterfragt habe. Die kurze Situation hat mir einmal mehr deutlich gemacht, wie schnell sich eigene Annahmen als Fehlannahmen herausstellen. Leise Irritationen können - wenn wir sie denn wahrnehmen - helfen, solchen Fehlschlüssen auf die Spur zu kommen und ihnen zu begegnen.

Letzte Änderung am 30. Oktober 2019
Sascha Kilburg

… ist mit Kilburg Consulting selbstständig und als Coach, Teamentwickler und Mediator unterwegs. Menschen im Dialog zu begleiten, denen inner- und zwischenmenschlichen Herausforderungen bei der Bewältigung von beruflichen Aufgaben im Wege stehen, spiegelt sein Selbstverständnis wider. Er mag es, seine Arbeit einem kritischen Blick zu unterwerfen, Neues zu erlernen und Erlerntes zu teilen. Als Autor von Fachartikeln und E-Learning-Trainings beschäftigt er sich mit den Themen Kommunikation, Beratung und Mediation. In seinen 10 Jahren als wissenschaftlicher Mitarbeiter der Universität Hamburg lag sein Forschungsschwerpunkt auf der Vermittlung von Kommunikation und Beratung - digital wie analog.

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