Kirsten Schroeter

Kirsten Schroeter

… hat es beruflich mit Konflikten in Organisationen und Unternehmen zu tun, aus Überzeugung nicht auf eine Branche spezialisiert, sondern auf die Qualität der fachlichen und zwischenmenschlichen Zusammenarbeit und der Kommunikation. Sie bildet Menschen in Konfliktberatung und Mediation aus. Und mischt bei der Weiterentwicklung des Berufs „Mediatorin“ mit – vernetzend (in der Regionalgruppe Hamburg im Bundesverband Mediation) und schreiberisch (Mitherausgeberin der „Interdisziplinären Studien zu Mediation und Konfliktmanagement“ bei Nomos sowie Mitherausgeberin der „Viadrina Schriftenreihe zu Mediation und Konfliktmanagement“ bei Metzner).

Seit 2016 die Verordnung über die Aus- und Fortbildung von zertifizierten Mediatoren (kurz ZMediatAusbV) erlassen wurde, wird diese Verordnung scharf kritisiert (siehe auch meinen eigenen Blog-Beitrag vom Dezember 2020, der in der bestehenden Form der Zertifizierung eine „Mogelpackung“ wittert). Diese Kritik bleibt nicht ohne Wirkung.

Die weitaus meisten Auftraggeber*innen wissen recht genau, was sie beauftragen möchten, wenn sie sich bei einer Mediatorin melden. Doch gar nicht wenige sind noch unsicher, was das beste Vorgehen bei einer Konfliktlage in einer Organisation sein könnte – klar ist nur, es soll etwas geschehen. Unterstützung ist benötigt. Aber welche am besten?

Die Frage nach der Dauer einer Mediation interessiert aus zwei Perspektiven. Auf der Hand liegt die Perspektive der potentiellen Mediationsparteien: Um mich gut informiert entscheiden zu können, ob Mediation für die Klärung meines Konflikts in Frage kommt, möchte ich wissen, wie das Verfahren abläuft, auf was ich mich inhaltlich, vom Verfahren her und natürlich in zeitlicher Hinsicht einstellen muss. Im Windschatten dieser Frage steht zugleich oft das berechtigte Interesse, einen ersten Hinweis auf die mutmaßlichen Kosten einer Mediation zu erhalten – die ebenfalls ein wichtiges Entscheidungskriterium für oder gegen eine Mediation darstellen können (die Frage „Was kostet eine Mediation?“ hat allerdings mindestens einen eigenen Blogbeitrag verdient).

Dass regelmäßige Supervision sowohl für angehende wie erfahrene Mediator*innen selbstverständlich zu einem professionellen Umgang mit sich und der eigenen Tätigkeit gehört, ist unstrittig. Jede Mediation ist einzigartig – und immer wieder kann uns eine methodische Herausforderung, eine Haltungshürde, ein kniffliges Thema, eine vertrackte Konfliktdynamik, eine besonders eigenwillige Partei oder ähnliches ins Stocken oder Grübeln oder an eine persönliche Grenze bringen, egal ob wir neu im Geschäft oder schon mit hunderten Fällen Erfahrung im Gepäck als Mediator*in unterwegs sind.

Dass die Reflexion eigener Mediationsfälle im Rahmen einer Supervision ein sinnvoller und notwendiger Bestandteil einer guten Mediationsausbildung sein sollte, ist unstrittig. Und auch für ausgebildete Mediator*innen bleibt es für die Weiterentwicklung der eigenen Professionalität zentral, immer wieder herausfordernde Situationen aus der eigenen Praxis supervisorisch zu bearbeiten. In den Qualitätsstandards der Mediationsverbände fanden sich diese professionellen Selbstverständlichkeiten von Anfang an wieder. Und so war es stimmig und folgerichtig, dass Supervision im Mediationsgesetz (MediationsG von 2012) Eingang fand und in der Ausbildungsverordnung (ZMediatAusbV von 2016) genauer bestimmt wurde.

Unter der Überschrift „Wen schaue ich an? Der Blick in Online-Mediationen“ reflektiert der schottische Mediator Charlie Irvine sehr anschaulich, welch bedeutende Rolle der Blick des Mediators in Präsenz-Mediationen (insbesondere mit vielen Beteiligten) hat – und wie anders das Schauen und Anschauen in Online-Mediationen funktioniert. Seine Überlegungen haben mich angeregt, meine eigene Praxis in Online-Mediationen – die wie bei so vielen Kolleginnen und Kollegen wirklich rein pandemiebedingt entstanden und dann zügig beträchtlich gewachsen ist – unter diesem Gesichtspunkt Revue passieren zu lassen.

Seit Erlass der Verordnung über die Aus- und Fortbildung von zertifizierten Mediatoren (kurz: ZMediatAusbV) im August 2016 ist geregelt, was die Voraussetzungen für das Führen der Bezeichnung „zertifizierte/r Mediator*in“ sind – und dass der Vorgang dieser Zertifizierung nicht den damit traditionell verbundenen Erwartungen einer Prüfung dieser Voraussetzungen durch unabhängige Dritte entspricht. Denn eingeführt wurde eine sogenannte „Selbstzertifizierung“: Mediator*innen, die die Bezeichnung führen möchten, prüfen selbst, ob die Voraussetzungen vorliegen – und entscheiden auch selbst, ob sie berechtigt sind, den Titel zu führen. Dies wurde – aus meiner Sicht zu Recht – scharf kritisiert; Peter Röthemeyer brachte es am treffendsten und schärfsten auf den Punkt, als er den Begriff der „Zertifizierungsfiktion“ prägte1. Für die meisten Mediationsparteien oder Mediationsinteressierten werden diese Feinheiten kaum zu durchschauen sein (siehe dazu meinen Blogbeitrag zur „Mogelpackung für Konfliktprofis“).

Wir wissen nach wie vor wenig über die Zahl der in Deutschland real durchgeführten Mediationen. Nur punktuell liegen systematische Erhebungen vor – etwa für den Bereich der güterichterlichen Mediation oder von einzelnen Unternehmen. Bezüglich der Effekte von Mediationsausbildungen ist nicht nur im deutschsprachigen Raum, sondern auch international eine erhebliche Forschungslücke zu konstatieren.

In der vergangenen Woche gab es – mitten in einem Auftrag – einen dieser Momente, in denen ich mir beim Sprechen zuhörte und selbst etwas stutzte über das, was ich da ganz selbstverständlich und gelassen formulierte: „Es gibt bei meiner Arbeit ganz häufig Situationen, in denen ich über etwas spreche, von dem ich nichts verstehe.“

Manche Fragen sind in der Mediationslandschaft echte Dauerbrenner und werden kontinuierlich kontrovers und engagiert diskutiert – es geht dabei in der Regel um grundlegende Prinzipien, Haltung und Handwerkszeug zugleich. Ein solcher Klassiker ist zum Beispiel die Frage, wie ich als Mediatorin damit umgehe, wenn zwischen den Beteiligten offenkundig ein klares Machtungleichgewicht besteht. In welcher Verantwortung sehe ich mich dann, welches methodische Repertoire steht mir zur Verfügung? Dazu passen etwa die Beiträge von Alexander Redlich in diesem Blog über seine Haltung im Umgang mit Situationen in Gruppenkonflikten, in denen es heißt: „Alle gegen einen!“

Vielleicht kennen Sie als Mediatorin oder Mediator das auch: Am Ende eines intensiven Mediationstermins, in dem gerungen wurde um Verständnis für sich, füreinander und für eine konstruktive gemeinsame Entwicklung und in dem zwischenzeitlich vielleicht sogar fraglich war, ob es überhaupt voran – statt rückwärts, seitwärts oder im Kreis – gehen würde, sagt eine Partei im Rausgehen in Richtung der Mediatorin, zugleich leicht erschöpft und leicht lächelnd: „Na, Sie haben sich Ihren Feierabend jetzt aber auch verdient.“ Oder: „Was Sie sich alles anhören müssen bei Ihrem Beruf“.

„Wo findet die Mediation statt?“ Nicht immer gibt es bei dieser Frage viel Gestaltungsspielraum – etwa, weil klar ist, dass die Mediation in den (begrenzten) Räumen der Mediationsparteien stattfinden soll. Sei es, um mit kurzen Wegen Zeit und Aufwand zu sparen. Sei es, weil keine finanziellen Mittel für die Anmietung eines externen Raumes zur Verfügung stehen.

Dann übt man sich als Mediatorin in der Kunst der Improvisation und macht das Beste aus den Gegebenheiten. Erste Pflicht in solchen Situationen: Rechtzeitig vorher vor Ort sein!

In meiner praktischen Tätigkeit als Mediatorin für Konflikte in Organisationen habe ich es mit sehr verschiedenen Konfliktthemen zu tun. Nichtsdestotrotz ist den Konflikten gemein, dass sie in der Regel wenig rechtlich durchgeformt sind: Meist sind noch keine Anwält*innen involviert oder gar ein Gerichtsverfahren anhängig.

Seit dem 1. September 2017 können Mediator*innen, die bestimmte Anforderungen erfüllen, die Bezeichnung „zertifizierte/r Mediator/in“ führen. Der Gesetzgeber hat mit dem seit 2012 geltenden Mediationsgesetz und der nun in Kraft tretenden Verordnung, die die Aus- und Fortbildung regelt, diese Bezeichnung geschaffen.

Die wachsende Bekanntheit und Akzeptanz von Mediation können – so scheint es mir mit Blick auf einige meiner Auftragsklärungen der letzten Zeit – für uns Mediatoren paradoxerweise neue Hürden bereithalten. Mediation hat, insbesondere in Unternehmen, mittlerweile einen derart guten Ruf, dass es bisweilen für die Parteien in einem Konflikt nicht mehr opportun erscheint, ehrlich zu sagen, wenn sie nicht zu einer Mediation bereit sind oder es nicht für das geeignete Verfahren halten.

Langsam, aber stetig wächst das Interesse von Organisationen, den Umgang mit Konflikten im eigenen Haus unter die Lupe zu nehmen und konstruktiv weiter zu entwickeln. Das zeigt sich etwa an einer wachsenden Zahl an Veröffentlichungen von Fallbeispielen aus Unternehmen, an den Aktivitäten des 2008 gegründeten Round Table der Deutschen Wirtschaft für Mediation und Konfliktmanagement und diversen einschlägigen Studien zur Entwicklung des Konfliktmanagements (insbesondere die von PwC und Europa-Universität Viadrina durchgeführte Studienserie).

Mediatoren kennen die Situation nur zu gut: Gefragt, was sie beruflich machen, antworten sie „Mediation“. Und schauen dann ganz genau hin, wie ihr Gegenüber reagiert: Kennt mein Gegenüber diesen Begriff? Und kann er ihn einigermaßen treffsicher mit Leben füllen? Oder liegt die in vielen Anekdoten verbriefte Verwechslung mit „Meditation“ vor, die sogleich zu korrigieren wäre?  Rasch wird ein erklärendes „Ich beschäftige mich mit der Klärung von Konflikten“ oder „Das heißt, ich unterstütze Menschen in Konflikten dabei, selbstverantwortlich eine interessengerechte Lösung zu entwickeln“ hinzugefügt.

Der Weg zum ersten Mediationstermin kann sehr verschieden sein. Mal geht es (überraschend) schnell zwischen der ersten Kontaktaufnahme und dem Termin, bei dem sich alle relevanten Konfliktbeteiligten gemeinsam mit der Mediatorin in einem Raum befinden und in die Klärung starten. Mal verstreicht sehr viel Zeit, sind viele Einzelgespräche zu führen, die Eignung des Mediationsverfahrens gründlich abzuwägen, Bedenkzeiten einzuräumen oder möglicherweise langwierige Verhandlungen über die wesentlichen Rahmenbedingungen einer Mediation zu führen. Sowohl auf den kurzen wie den langen Wegen kann so einiges dazwischen kommen und verhindern, dass eine Mediation zustande kommt.

Mediationsaus- und weiterbildungen sprießen aus dem Boden. Im Jahr 2013 hat die Stiftung Warentest einen (durchaus umstrittenen) Vergleich von 145 solcher Weiterbildungen vorgenommen – und das war nur ein Teil des bundesdeutschen Angebots in diesem Feld. Nach wie vor interessieren sich viele Menschen aus allen gesellschaftlichen Bereichen und mit diversen Hintergründen für das Erlernen des Mediationsverfahrens und der Rolle als Mediatorin.

Ein wesentliches Wirkprinzip der Mediation basiert darauf, dass Menschen (wieder) dazu in die Lage versetzt werden, die Sicht des anderen nachvollziehen zu können, ihre eigene Perspektive und die des anderen einnehmen zu können, mehr als eine Sicht auf die Situation, den Konflikt und die jeweiligen Anliegen der Beteiligten zu sehen. Wie dies gelingen kann, ist ein maßgeblicher Teil von Mediationsausbildungen und oft im Kern der Faszination für dieses Verfahren.

Seite 1 von 2