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Mit der Methode des Systemischen Konsensierens können Mediator*innen Gruppen unterstützen, eine Entscheidung für eine oder mehrere Lösungsalternativen herbeizuführen. Der Clou der Methode besteht darin, nicht nach den kleinsten gemeinsamen Nenner zu suchen, sondern Vorschläge systematisch nach dem geringsten Widerstand bewerten zu lassen.

Wie so einige Kolleg*innen habe ich pandemiebedingt – und somit im Grunde unfreiwillig – damit begonnen, Mediationen in den virtuellen Raum zu verlegen. Damals war für mich völlig klar, dass ich vollumfänglich in Präsenz zurückkehren würde, sobald es nur irgendwie möglich sein würde. Videokonferenzen waren für mich ausschließlich ein Hilfsmittel in der Krisenbewältigung.

Unter der Überschrift „Wen schaue ich an? Der Blick in Online-Mediationen“ reflektiert der schottische Mediator Charlie Irvine sehr anschaulich, welch bedeutende Rolle der Blick des Mediators in Präsenz-Mediationen (insbesondere mit vielen Beteiligten) hat – und wie anders das Schauen und Anschauen in Online-Mediationen funktioniert. Seine Überlegungen haben mich angeregt, meine eigene Praxis in Online-Mediationen – die wie bei so vielen Kolleginnen und Kollegen wirklich rein pandemiebedingt entstanden und dann zügig beträchtlich gewachsen ist – unter diesem Gesichtspunkt Revue passieren zu lassen.

Mit Corona und den damit einhergehenden Einschränkungen, sich persönlich zu treffen, starten Videokonferenzsysteme ihren Siegeszug.  Auch in der klassischen Beratung ersetzen synchrone Videokonferenzen die Arbeit von Angesicht zu Angesicht. Selbst wenn sie für viele keinen vollwertigen Ersatz bieten, so ermöglichen sie zumindest zum Teil, Mimik, Gestik und Körperhaltung mitzubekommen und so ein Gefühl für die Stimmungen im Raum zu entwickeln.

Wie in meinem Beitrag Online-Moderation in Zeiten von Corona vorgestellt, unterscheide ich drei Aufgaben einer Online-Beratung bzw. Moderation, die durch Online-Werkzeuge technisch unterstützt werden können:

  1. Die Kommunikation zwischen den Beteiligten
  2. Die Visualisierung von Inhalten
  3. Die Beteiligung der Teilnehmenden

Mit dem Ankommen der Corona-Krise in Deutschland, sind mir, ähnlich wie vielen meiner Kolleginnen, die Aufträge für das laufende Jahr weggebrochen. Innerhalb von vier Tagen hagelte es eine Absage nach der anderen. Nachdem der erste Schock überwunden ist, sortiert sich die Lage neu. Erste Aufträge für Online-Moderationen trudeln ein, auch wenn diese rein vom Umfang her weit davon entfernt sind, die weggebrochenen Aufträge zu ersetzen. Zugleich habe ich mich intensiv mit meinen Kolleginnen über die Situation ausgetauscht. Ein willkommener Anlass, hier im Blog eine kleine Zwischenbilanz zu ziehen.

Ohne diesen Virus wäre ich vermutlich nie auf die Idee gekommen, online Konfliktbearbeitung anzubieten. Wenn ich mit den Beteiligten in einem Raum sitze, so höre und sehe ich die Konfliktparteien nicht nur, sondern spüre sie auch. Und nicht zu unterschätzen: Sie spüren sich ebenfalls. Häufig erinnere ich mich bei Mediationen an den emotionalen Wendepunkt: Den Moment, in dem sich geradezu magisch die Atmosphäre im Raum verändert, die Beteiligten sich wieder füreinander öffnen und feststellen, dass nicht der*die andere das Problem ist, sondern sie schlicht gemeinsam gravierende Probleme haben. Mir fehlt offen gestanden auch heute noch die Fantasie, wie das bitte online gehen soll.